Infoblatt Massenbilanzverfahren
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Übersicht
3. Das Massenbilanz Modell
4. Diskussion
5. Quellen
1. Einleitung
Das Massenbilanzverfahren ist ein Begriff aus der Ökobilanzmethodik. Das Prinzip erlaubt die rechnerische Zuordnung von Grünstrom oder erneuerbaren Rohstoffen, welche in der gesamten Produktion eingesetzt werden, auf einzelne Produkte eines Herstellers. Durch das Verfahren können beispielsweise einzelne Produkte mit sehr hohen Anteilen an erneuerbaren Rohstoffen oder erneuerbarer Energie ausgewiesen werden, obwohl der Einsatz der Ressourcen verteilt über alle Produkte erfolgt, die in einem Betrieb hergestellt werden. Auch der Verkauf von Ökostrom ist ein Beispiel für die Anwendung des Massenbilanzprinzips. Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen dabei ökologischen Strom ein und wissen aber nicht, ob der von Ihnen verbrauchte Strom aus erneuerbaren Energien stammt. Denn es ist derzeit nicht möglich, 100% erneuerbaren STrom an einzelne Endverbraucherinnen und -verbraucher zu liefern. Wenn viele Verbraucherinnen und Verbraucher Ökostrom einkaufen, erhöht dies aber zumindest den Grünstromanteil im landesweiten Energieverbrauch.
2. Übersicht
Das Massebilanz-Verfahren ist ein Chain of Custody Modell (Produktkettennachweis), welches bei der Ausweisung von Produkten der chemischen Industrie inzwischen verbreitet ist. Da die Produktionsprozesse in der chemischen Industrie oft komplex sind, über mehrere Etappen erfolgen und viele Ausgangsstoffe unterschiedlich eingesetzt werden, ist es nahezu unmöglich ein Produkt mit einem spezifischen Anteil an erneuerbaren Rohstoffen oder Grünstrom herzustellen. Erfolgt der Einsatz von erneuerbaren Ressourcen nur verteilt über die Gesamtproduktion, ist der rechnerische Anteil oft sehr klein. Ziel der Hersteller ist es, mit dem Massenbilanzansatz Maßnahmen zum Einsatz erneuerbarer Rohstoffe oder Energie und damit in Richtung einer nachhaltigeren Produktion sichtbar zu machen.
3. Das Massenbilanz Modell
Biobasierte, recycelte Rohstoffe oder erneuerbare Energieträger werden am Anfang des konventionellen Produktionsprozesses, also z.B. für Vorprodukte, eingespeist und rechnerisch dem Endprodukt zugeordnet. Nach der Einspeisung der Rohmaterialien sind die Materialflüsse nicht mehr trennbar. Massenbilanzierte Produkte sind demnach Produkte für deren Herstellung nachweislich biobasierte, respektive, erneuerbare Rohstoffe oder Vorprodukte eingesetzt wurden. Diese biobasierten Ausgangsprodukte müssen dabei aber nicht im Endprodukt nachweisbar sein. Nach dem Verfahren der Massenbilanz wird die verwendete Menge an nachwachsenden Rohstoffen bestimmten Produkten entsprechend deren individueller Rezeptur, also unter Berücksichtigung aller Ausbeuten und Verluste, rechnerisch zugeordnet (siehe Abbildung 3.1).
Abb. 3.1: Allokationsprinzip nach Massenbilanzverfahren / eigene Grafik (bfu)
Das Massenbilanzverfahren ist also ein Allokationsprinzip (Allokation = Verteilung von Ressourcen), welches von einer direkten Zuordnung nach der physikalischen Zusammensetzung abweicht. Das Prinzip einer direkten Zuordnung respektive eine Allokation basierend auf der physikalischen Zusammensetzung ist in Abbildung 3.2 dargestellt. Im Gegensatz zum Massenbilanzverfahren wird bei diesem Allokationsprinzip versichert, dass ein biobasiertes/recyceltes Produkt vom Rohstoff bis zum letzten Produktionsprozess getrennt von konventionellen Produkten behandelt wird. Jedes einzelne Produkt kann somit physikalisch bis zum Herkunftsort zurückverfolgt werden.
Abb. 3.2: Allokation nach physikalischer Zusammensetzung / eigene Grafik (bfu)
4. Diskussion
Für die chemische Industrie bringt das Massenbilanzverfahren viele Vorteile, z.B.
- Beibehaltung der Produktionsketten
- Minderung Treibhausgasemissionen der Produkte
Für die Konsumentinnen und Konsumenten ist das Massenbilanzverfahren nur schwer zu interpretieren. Ein Produkt kann als biobasiert bezeichnet werden, enthält aber möglicherweise real nur sehr geringe Anteile erneuerbarer Rohstoffe. Ebenso ist nicht immer klar ablesbar, ob erneuerbare Rohstoffe und Sekundärstoffe stofflich (z.B. als Rohstoff für die Vorprodukte) oder energetisch (z.B. als Ökostrom im Produktionsprozess) genutzt werden. Was EPDs (= Umweltproduktdeklaration, Datenbasis für die ökobilanzielle Berechnung) betrifft, ist der Ansatz des Massenbilanzverfahrens bei EPD-Programmhaltern seit Anfang 2023 nicht mehr erlaubt (s. Statement Eco-Platform). Für die Nutzenden von EPD-Daten hat die Ausserkraftsetzung des Verfahrens den Vorteil, dass Missverständnisse vermieden werden. Derzeit werden Vereinheitlichungen in Bezug auf das Massenbilanzverfahren diskutiert (s. Update IBU / EPD-Programmhalter), da sich das Verbot nachteilig auf den Einsatz von erneuerbaren Rohstoffen in der chemischen Industrie auswirken könnte.
5. Quellen
Christian Krüger, Andreas Kicherer, Claudius Kormann and Nikolaus Raupp (2018): Biomass Balance: An Innovative and Complementary Method for Using Biomass as Feedstock in the Chemical Industry. July 04, 2018. (Online-Quelle), DL: Nov04, 2021
ISEAL, Chain of Custody Models and Definitions, September 2016 (Online-Quelle)
ECO-Plattform (Online-Quelle)
= Dachorganisation der verschiedenen nationalen EPD-Programmhalter in Europa
ECO Platform Public Statement on the use of the Mass Balance Approach, Dezember 2023 (Online-Quelle)
Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU), Update - Umgang mit Massenbilanz-Ansätzen bei der Berechnung einer Produkt-Ökobilanz, Dezember 2023 (Online-Quelle)
BASF's biomass balance approach (Online-Quelle)
Circularise, Four chain of custody models explained, November 2022 (Online-Quelle)
Massenbilanzverfahren; Matthias Klingler, dipl. Umweltingenieur EPF + Julie Kaschub, dipl. Umweltnaturwissenschafterin ETH; Büro für Umweltchemie GmbH; Zürich, 2024